…über die unbelastete digitale Identität [Teil 2]
Bereits im Dezember 2018 habe ich in einem Beitrag erklärt, aus welchen Gründen ich mir für meine Kinder eine unbelastete digitale Identität wünsche. In den vergangenen Monaten ist das Thema noch weiter in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Das verdanken wir vor allem der Bloggerin Toyah Diebel, die mit ihrer Kampagne #deinKindauchnicht Erwachsene sensibilisieren möchte, keine Bilder ihrer Kinder im digitalen Raum zu posten und zu „sharen“. Sie möchte, dass die Bildrechte der Kinder gewahrt bleiben.
Das Phänomen, die Kindheit des Nachwuchses digital für jedermann sichtbar zu teilen, ist bekannt als „Sharenting“. Darunter versteht man eine Mischung von Parenting im Sinne von Elternschaft, und Sharen, im Sinne des Teilens von Inhalten im digitalen Raum. Bilder des Nachwuchses online für jedermann sichtbar zu teilen ist weiterhin heiß umstritten.
Doch welche Bildrechte haben eigentlich Eltern und Kinder im digitalen Raum, in Bezug auf „ihre“ Bilder und deren Verbreitung? Darüber habe ich mit Rechtsanwältin Franziska vom Blog „Mami hat Recht §“ gesprochen. [Es handelt sich bei diesem Post nicht um eine Rechtsbelehrung oder Werbung. Das Interview führten wir, da uns die digitalen Rechte der Kinder am Herzen liegen!]
Wenn man ein Kind bekommt, wird man quasi im Krankenhaus schon nach einer Fotoerlaubnis gefragt, ob man das Kind auf der Webseite der Klinik zeigen möchte. Ich habe vor fünf Jahren bei meinem ersten Kind gleich nachgefragt, wie lange das Bild dort zu sehen sein wird. Man sagte mir, dass so eine Frage noch nie jemand gestellt hätte, und die Bilder dort „für immer“ archiviert seien. Ich entschied mich sofort dagegen, denn ich wollte nicht, dass der zukünftige Arbeitgeber meines Kindes, zuerst ein Bild vom Kind mit Fruchwasserschrumpelfalten sieht. Das Thema Fotoerlaubnis wird uns begleiten, solange wir die Rechte unserer jetzt drei Kinder vertreten.
Wer muss alles zustimmen, wenn eine Fotoerlaubnis verlangt wird: Nur Mama oder nur Papa?
Die Fotoerlaubnis fällt in die Ausübung der elterlichen Sorge. Beide Eltern haben die elterliche Sorge eigenverantwortlich und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. So sagt es das Gesetz, das bedeutet auf deutsch: Jeder kann alleine entscheiden (es genügt also eine Unterschrift von Mama oder Papa), und man soll versuchen, sich einig zu sein. Wenn Eltern sich nicht einigen können, dann „gewinnt“ normalerweise der, der zu einer Maßnahme „nein“ sagt. Ausnahmen gelten beispielsweise bei Impfungen und anderen Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind. Dann kann man das Familiengericht um eine Konfliktlösung bitten.
Welche Bildrechte haben eigentlich die Kinder?
Die Bildrechte zählen zu dem grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das jedem Menschen zusteht. Auch Kleinkinder fallen in den Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG. Werden Fotos von Kindern gemacht, muss vor einer Veröffentlichung stets die Erlaubnis der Betroffenen eingeholt werden. Man geht davon aus, dass Kinder ab ungefähr 12-14 Jahren die Einsichtsfähigkeit besitzen, selbst einer Veröffentlichung zuzustimmen. Vorher obliegt das den Eltern im Rahmen der elterlichen Sorge. Wenn ein jüngeres Kind (egal welchen Alters) jedoch sagt, dass es nicht möchte, dass ein Bild veröffentlicht wird, dürfen die Eltern diesen Wunsch nicht übergehen und das Bild darf nicht veröffentlicht werden.
Was passiert, wenn sie noch nicht alt genug sind um zuzustimmen, und dann später im „richtigen“ Alter das Löschen verlangen?
Sobald das Kind (egal wie alt es ist, das geht auch mit 3 Jahren) sagt, dass gelöscht werden soll, muss gelöscht werden. Die Kinder sind immer Inhaber des Rechts, die Eltern verwalten es sozusagen nur. Sobald der Inhaber des Rechts etwas verlangt, muss das auch umgesetzt werden. Man kann sich übrigens auch jederzeit umentscheiden und die Erlaubnis widerrufen.
Worauf sollten Vereine achten, wenn sie Kinder veröffentlichen (oder die Schule, oder die KiTa…)
Viele bedienen sich einer sog. Fotoerlaubnis, um sich abzusichern. Wichtig ist, darauf zu achten, dass von wirklich jedem abgebildeten Kind eine Erlaubnis der Eltern vorliegt.
Das ist spannend. Erst letztens war ich mit dem Baby auf einer Veranstaltung einer höheren Behörde. Ich bekam nicht mit, dass mein Kind im Foyer in Frontalaufnahme beim Krabbeln durch die Halle gefilmt wurde. Entdeckt habe ich das erst, als ich zwei Tage danach die Social-Media-Kanäle der Behörde angesehen habe. Zutiefst entsetzt, dass die Bildrechte meines Kindes verletzte waren,habe ich sofort Kontakt aufgenommen. Es hat insgesamt drei Tage Zeit und Nerven in Anspruch genommen, die Bilder aus dem Filmchen der Veranstaltung auf drei Social-Media-Plattformen löschen zu lassen. Weder ich, noch mein Partner (der ja gar nicht dabei war), hatten ein Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben. Angeblich soll ich Blickkontakt mit der Redakteurin gehabt haben.
Ganz ehrlich: ich verstehe nicht mal immer die Blicke meines Mannes, den ich viele Jahre kenne, und eine mir fremde Frau, deren Name ich nicht kannte, deren Anwesenheit ich nicht mal bemerkte, will in meinen Augen das Einverständnis zur Veröffentlichung von Bildern Minderjähriger ablesen? Wie sie das bei meinem nicht anwesenden Mann mitbekommen haben will, habe ich direkt vergessen zu fragen im Schriftverkehr im Anschluss. Das war schon harter Toback und meine Worte an die Behörde daher sehr deutlich.
Was sollte ich denn generell machen, damit ein Bild gelöscht wird, dass ohne mein Einverständnis von meinem Kind im Netz unterwegs ist und dessen Bildrechte verletzt?
Ich rate immer zum (erfahrenen) Anwalt gehen. Das soll keine Werbeveranstaltung werden und ich mache dieses Rechtsgebiet auch gar nicht in der Praxis – aber ich glaube nicht, dass man selbst überblicken kann, welche Ansprüche man wem gegenüber geltend machen muss. Bilder verbreiten sich ja leider sehr schnell. Ein Anwalt kann hier bei den richtigen Anspruchsgegnern ansetzen.
Nach meiner Erfahrung würde ich das absolut unterstützen. Es kostet Zeit, damit Geld und vor allem Nerven. Sowohl Bilder von mir, als eben auch Bilder meiner Kinder, sind bereits ohne Einverständnis, in anderen Kontexten im Netz gelandet. Ich habe das bisher immer selbst gelöst, aber eben nur, weil ich ein gewisses Verständnis habe und selbst ich lerne immer wieder dazu. Mich ärgert in meinem oben beschriebenen Fall vor allem die Unwissenheit und Leichtsinnigkeit im Umgang Bildrechten Dritter der MitarbeiterInnen in der Behörde. Das sind für mich Fachleute, von denen ich als Mutter doch eine gewisse Professionalität erwarten darf. Umso mehr sensibilisiert es mich erneut, immer darauf zu achten, wer in unserer Nähe filmt oder fotografiert. Ein Umstand, den man im Prinzip in unserer digitalen Zeit kaum überblicken kann.
Man muss sich im Alltag auf die Medienkompetenz seiner Mitmenschen verlassen. Wenn Medienkompetenz selbst bei Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Bildrechte fehlt, verstehe ich, warum auch in der KiTa, in Vereinen oder anderswo so starke Unsicherheiten bei den Bildrechten von Kindern bestehen. Dass nicht alle Menschen das gleiche Verständnis von Bildrechten haben, darüber habe ich im Beitrag für die Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht.“ geschrieben.
Positiv möchte ich hier die Konferenz der Blogfamilia erwähnen. Die Verantwortlichen achten sehr genau darauf, dass Kinder, die ihre Eltern auf die Konferenz begleiten, nicht erkennbar sind und ihre digitale Identität und Bildrechte, zumindest von den MacherInnen der Blogfamilia, geschützt werden. Doch gerade auf größeren Veranstaltungen ist man sehr abhängig von der Medienkompetenz seiner Mitmenschen.
Ich kenne BloggerInnen & Menschen, die größere Veranstaltungen mittlerweile meiden, weil sie keine Lust haben ständig und überall Gefahr zu laufen, veröffentlicht zu werden durch Mitmenschen. Mich nervt ganz ehrlich auch die Selbstverständlichkeit, mit der voraus gesetzt wird, dass jeder, der sich öffentlich oder auf Beteiligungsformaten in Behörden bewegt, auch immer öffentlich abgebildet werden möchte. Es gibt nat. VeranstalterInnen, die das Dilemma für die FotografInnen durch entsprechende Kennzeichnungen lösen. Mir bekannte FotografInnen sind sehr stark bemüht, Bildrechte zu wahren – diese Menschen muss man auch positiv erwähnen.
Das ist jetzt ziemlich theoretisch, trotzdem möchte ich es ansprechen: da sorgt die Digitalisierung dafür, das Menschen sich nicht in vollem Umfang am „Real-Life“ beteiligen können, weil manche Dritte nicht kompetent (ich rede hier vor allem über Erwachsene) in der Nutzung von Medien sind. Das ist schon freaky.
Eine Frage habe ich noch, weil mich dieses Thema noch umtreibt und ich noch keine endgültige Lösung für uns als Familie gefunden habe.
Wenn ich jemand bei z.B. Whattapp ein Bild meines Kindes sende: Übertrage ich ihm damit alle Bildrechte? Wann muss der das Löschen oder muss der das überhaupt irgendwann löschen?
WhatsApp sagt in seinen Nutzungsbedingungen (Stand April 2018): „Damit wir unsere Dienste betreiben und bereitstellen können, gewährst du WhatsApp eine weltweite, nicht-exklusive, gebührenfreie, unterlizenzierbare und übertragbare Lizenz zur Nutzung, Reproduktion, Verbreitung, Erstellung abgeleiteter Werke, Darstellung und Aufführung der Informationen (einschließlich der Inhalte), die du auf bzw. über unsere/n Dienste/n hochlädst, übermittelst, speicherst, sendest oder empfängst.“ Das klingt weitreichend – ist es auch. Ich verstehe das so, dass WhatsApp alle Daten und auch Bilder speichern, behalten und auch theoretisch verkaufen kann. Selbst wenn ein Anspruch auf Löschung besteht – ich glaube nicht, dass er faktisch durchsetzbar ist. Zumindest im Moment nicht. Meine persönliche Alternative ist ein anderer Messenger. Ich nutze Threema, diese App speichert keine Daten und Fotos.
Ok, das ist krass und da habe ich wieder mehr dazu gelernt. Es ergibt auf so vielen Ebenen keinen Sinn, denn i.d.R. versenden wir Eltern ja für unsere Kinder diese Bilder, und sie können das ja weder erahnen noch mitbestimmen oder irgendwie nachvollziehen, wenn sie rechtlich „mündig“ sind. Diese Konsequenzen für die Abgabe von Bildrechten waren mir gar nicht in dem Umfang bewusst. Danke dir, liebe Franziska, für deine Aufklärung über die Bildrechte unserer Kinder, die wir als Erwachsene nur eine begrenzte Zeit verwalten.
Dazu fällt mir noch ein recht kritischer Beitrag zu den AGB von Instagram ein, den ich kürzlich auf „Basicthinking.de“ gelesen habe. Zum einen gibt es zahlreiche Übersetzungsprobleme, zum anderen ist unklar, wer denn dort bei Kindern eigentlich zur Veröffentlichung zustimmen muss. Denn Instagram schreibt hier klar in den AGB, dass NutzerInnen „nicht-exklusive, übertragbare […]weltweite Lizenz zur Nutzung jedweder IP-Inhalte“ die NutzerInnen auf Instagram posten. Gepostete Kinder, können das ja im Prinzip nie für sich nach verfolgen, was wo mit ihren Inhalten irgendwann mal passiert.
Wurde ein Re-Post gemacht? Wurde ein Screenshot gemacht? Auch hier ist man wieder auf die Medienkompetenz Dritter angewiesen, vor allem aber auf eine verlässliche Medienkompetenz der eigenen Erziehungsberechtigten. Schwieriges Thema, wenn dazu die AGB unklar formuliert, der Gerichtsstand eventuell Kalifornien ist (so genau geht das nicht eindeutig hervor) und die AGB dazu teilweise nur in Englisch verfügbar sind.
Hast du noch Fragen? Ich werde das Thema immer wieder aufgreifen und nehme deine Anregungen gern mit auf.
Birgit, die Provinzmutti
Achja: Ich hab als Titelbild mein Newbornshooting für dich nachgeholt. Inklusive Milestone-Card und Bärchen – Findest du nicht auch, dass das seltsam anmutet? Ich finde es höchst befremdlich. Ich möchte sowas nicht von mir als Baby im worldwideweb wissen #deinKindauchnicht ?!? (Der Link führt zum Hashtag auf Instagram)
Ein Kommentar
Ich finde dass Sie wirklich einen wichtigen Beitrag zur Kinderschutz leisten !! Danke dafür !!!!