Wir sind 1 Prozent – über das Stillen einer Zweijährigen

Vor einiger Zeit war hier bereits der zweite Geburtstag. Ich bekam diese Rossmann-Babyclub-Post und freute mich über das Shirt für die Maus mit der Zahl zwei vorne drauf. Dann schaute ich die Gutscheine durch, stellte mal wieder fest, dass ich davon nichts gebrauchen kann und blätterte in der Zeitung dazu herum. Dort fand ich einen Artikel über das Stillen von Zweijährigen. In Deutschland werden knapp ein Prozent der Zweijährigen noch gestillt von ihren Mamas. Wir gehören dazu. Geplant war das nie, einen Grund zum Aufhören sehe ich aber auch nicht.

Wie du stillst noch?

Nach Kind 1 kannte ich diesen Spruch ja bereits so ab circa dem 5./6. Lebensmonat. Und ich finde ihn bis heute unangemessen, reagiere mittlerweile aber ruhig darauf. Ja, das Kind stillt noch und ich lasse es. Wir beide finden das o.k. so. [Und auch wenn es für mich keine Rolle spielt: Ja der Papa findet das auch o.k. – Boobies are not just for Dad’s] Das erste Kind habe ich also gestillt bis er 20 Monate war. Wir mussten die Stillbeziehung etwas abrupt beenden, ich war schwanger mit Nummer 2 und hatte starke Blutungen über drei Monate. Da Stillen in so einem Fall aus medizinischer Sicht nicht weiter zu empfehlen ist, habe ich beschlossen aufzuhören.

Kann man stillend schwanger werden?

Bevor Nachfragen kommen: Ja – stillend schwanger werden ist kein Problem – Stillen ist keine Form der Verhütung, wussten wir aber vorher Es gibt wenige Gründe, in denen es ratsam ist in einer neuen Schwangerschaft ein noch stillendes Baby oder Kleinkind abzustillen – Blutungen gehören definitiv dazu, und so stillte ich damals den Sohn mit 20 Monaten, im dritten Monat schwanger, ab, obwohl ich das Abstillen eigentlich dem Sohn überlassen wollte. Aber in meinem Fall hatten Stillen, Kontraktionen und Blutungen wohl einen Zusammenhang und damit stand die Entscheidung zu Gunsten des neuen Babys außer Frage. Nähere Auskünfte zur Sicherheit und generellen Unbenklichkeit vom Stillen in einer Folgeschwangerschaft hier bei der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen zum Nachlesen.

Natürliches Abstillen – was ist das eigentlich?

Langzeitsillen-Kleinkindstillen-StillkindDarunter verstehe ich heute, dass das Kind irgendwann keine Milch mehr braucht und von selbst aufhört diese einzufordern. Das war und ist mein Wunsch für das Milchmädchen. Sie ist jetzt zwei Jahre und stillt (noch). Sie braucht ihre „Mils“ noch und fragt, wenn sie welche möchte. So wie sie auch fragt, wenn sie eine Banane mag. Das ist für uns hier so natürlich geworden, dass wir es als völlig normal empfinden, was es auch ist. In vielen Jahrhunderten haben sich Kinder selbst Entwöhnt. Sie bekommen ab dem ca. 6. Lebensmonat „Beikost“ also normale Kost und stillen dennoch weiter. Irgendwann beschließen sie von allein, dass sie keine Milch mehr brauchen oder haben wollen. Die eine eher, die anderen später. So kommt auch das natürliche Abstillalter zwischen zwei und sieben Jahren zustande, von dem Anthropologen ausgehen.

„Aber das Kind isst doch schon!“

Natürlich isst das Kind schon. Aber es stillt auch noch. So wie andere Kaffee trinken oder einen Smoothie. Wobei mit letzterem auch noch ein gewisser Gesundheitsaspekt verbunden wird. Beim Stillen ist dieser sogar belegt. Das Kind erhält weiter gute Inhaltsstoffe aus der Muttermilch zusätzlich zur normalen Nahrung. Andere Kinder bekommen in dem Alter noch eine Flasche, oder einen Schnuller – mein Kind darf Milch aus der Originalverpackung trinken – weil das für uns so passt. Ich käme nie auf die Idee mir anzumaßen, darüber zu urteilen, was richtig oder falsch für andere ist. Mittlerweile kann aber auch ich fließend ein Stillkind-Busllshitbingo spielen. Kinder haben nach dem Saugreflex, der irgendwann nach lässt so mit 6-7 Monaten immer noch ein Saugbedürfnis. Da besteht ein Unterschied. Die einen bekommen dann den Schnuller oder eben eine Flasche „zum Einschlafen“ oder „runterfahren“ – mein Kind eben die Originalverpackung der Evolution – same thing.

„Und wie lange willst du das noch machen?“

Keine Ahnung – so lange das Kind noch möchte und es sich für mich als Mutter richtig anfühlt. Ob das nun noch ein oder zwei Jahre oder zwei Wochen ist: Das kann weder ich wissen, noch das Milchmädchen – in jedem Fall ist es für mich derzeit völlig in Ordnung. Und wenn ich keine Lust habe sie zu stillen, dann sage ich ihr das auch. Wenn sie weint, dann muss ich sie durch den (emotionalen) Schmerz begleiten. Muttermilch ist artgerecht – und das ist sie, solange Mutter und Kind das wollen. Egal was eine Außenwelt dazu sagt. Andrea vom Runzelfüßchen Blog hat dazu erst vor Kurzem einen eigenen Beitrag verfasst, weil ihr im Alltag immer mehr fragende Blicke begegnen, wenn sie ihr 16 Monatiges Kleinkind stillt. Da werden einem schon die interessantesten Dinge vorgeworfen.

Hier meine Highlights der Außenwelt zum „Langzeitstillen*“:

(*Langzeitstillen ist für mich Normalzeitstillen – aber die Mehrheit kann etwas mit dem Begriff anfangen und versteht wohl, dass ich das Kind länger als bis zum Ende des Baby-Alters gestillt habe.)

  • „Die dünne Plörre taugt doch nichts mehr!“ (Falsch: Muttermilch hat konstant die gleiche Kalorienanzahl bei normal ernährten Frauen.)
  • „Du machst dich abhängig!“ (Ja – so wie alle Eltern die ein Kind in die Welt setzen.)
  • „Du machst das nur für dich!“ (Nein – ich kann kein Kind zum Saugen zwingen.)
  • „Das ist pervers im Kleinkindalter!“ (Nein – aber mit Sicherheit ist es ein teifenpsychologisches Problem, einen natürlichen Vorgang zu sexualisieren!)
  • „Das Kind nutzt dich aus.“ (Ah ja – das Kind kann also strategisch denken und nutzt mich aus? – Ja nee is klar!)
  • „Du bist doch schon groß [in Richtung Kind gesprochen]!“ (Ja – fast Volljährig und umfänglich geschäftsfähig sozusagen…)
  • „Du kannst dann aber nicht arbeiten!“ (Äh doch – ohne mich kommt das Kind auch gut ohne Milch aus. Sogar mehrere Stunden oder aufeinander folgende Tage – siehe dazu „Stillen bei Erwerbstätigkeit“)
  • „Nicht dass das Kind dann bei uns trinken will, wenn du gehst?“ (Nein – das Kind weiß sehr wohl aus welcher Brust Milch für es kommt, und aus welcher eben nicht!)
  • „Und dein Mann hat da nichts dagegen?“ (…der Knaller-Satz überhaupt – nein, warum sollte er etwas gegen eine natürliche Ernährungsform haben – er akzeptiert sogar Veganer!)
  • „Mein Mann wollte DIE wieder für sich haben.“ (Schön für dich. Mein Mann hat keine Besitzansprüche an meinen Körper – und schon gar kein Konkurrenzdenken zu einem Baby/ Kleinkind.)

…ich denke ich könnte noch weitere Dinge ausführen – aber mich interessiert viel mehr, was eure Lieblingssprüche sind: Also her damit!

Rossmann-babyclub-babywelt-stillkindWas mir übrigens geholfen hat ist immer wieder der Austausch im Internet, mit Müttern, die es ähnlich handhaben. Einfach so zur Rudelbildung und wie einige ja bereits wissen: Ich selbst bin mittlerweie Admin einer Gruppe für Langzeistillmuttis – und diese Gruppe auf FB ist für mich eine sehr große Bereicherung in meinem Alltag der letzten Jahre gewesen, in denen ich schwanger, stillend, stillend-schwanger, schwanger und erneut stillend war. Ich habe auch schon vor einiger Zeit verbloggt wie sehr mir die Gruppe geholfen hat, als mir stillend mit Neugeborenem die Gallenblase entfernt wurde.

Artikel-Kleinkindstillen-Langzeitstillen

Den Artikel aus der Rossman-Babywelt-Club-Zeitung kann ich euch übrigens empfehlen. Darin kommt auch Regine Gresens zu Wort, die die Webseite stillkinder.de unterhält und selbst Stillberaterin ist. Und ich habe mich wirklich sehr gefreut, als ich diesen Artikel in der Zeitung entdeckt habe. [#Spoiler: Da steht wir sind normal #yay ]

Deine Provinzmutti Birgit

Der Beitrag entstand auch anlässlich der Weltstillwoche 2017 mit dem Motto „Stillen unterstützen – gemeinsam!“. 2016 habe ich auch schon dazu gebloggt.

 

 

 

Übringens: Mir ist völlig gleich ob eine Mama sich für oder gegen das Stillen entscheidet. Jede Mutterkindbeziehung ist individuell und Muttermilch in unserer Welt nicht DER Garant zum Überleben oder für eine gute Bindung oder Beziehung zu Mutter /Eltern. Ich möchte lediglich, dass das Stillen einer Zweijährigen, als normal angesehen wird. Es geht immer nur Mutter und Kind etwas an. Niemanden sonst. #peace

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Ein Kommentar

  1. Du sprichst mir aus der Seele. Ich habe einen 22monatigen Sohn, wir stillen wann immer wir beide Lust dazu haben. So oft spüre ich die Blicke, das Unverständnis… er isst doch schon, er braucht das nicht, diese Abhängigkeit bla bla bla… mir egal, wir machen es so lang wie wir wollen.

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