Gedanken zum Wochenende, Gedanken zu München, Oslo, Nizza und all den anderen Städten…

Mir fällt keine passende Überschrift ein für den Blogpost, weil es für mich keine gibt. Ich war am Freitag als die ersten Infos rein kamen zu München gerade aus dem Schlafzimmer gekommen nachdem ich beide Kinder ins Bett gebracht hatte. Eigentlich hatte ich mich auf einen ruhigen Abend auf der Couch gefreut nachdem wir nun endlich wieder ein Wohnzimmer haben nach vier Monaten ohne. Der Mann wollte noch ein paar Umbauarbeiten in der Küche erledigen, die Handwerker saßen bereits beim Feierabendbier im Hof, da las ich auf dem Handy als erstes von einer Freundin die den Security-Check bei Facebook gepostet hatte, dass sie am Leben sei. Etwas irritiert schaltete ich den Fernseher ein und damit stand das Abendprogramm  fest.

Ich lese heute, dass viele keine Live-Ticker wollen, dass sie die Nachrichten erst später und sachlich eingeordnet lesen möchten. Ich kann den Wunsch verstehen. Allein in der Welt in der wir heute leben wird das alles nicht mehr möglich sein. Nicht alle Menschen können, wollen oder werden sorgsam und achtsam mit den neuen medialen Möglichkeiten umgehen. Nicht alle sind zu Sachlichkeit in der Lage, wenn sie in so einem inneren Ausnahmezustand sind, wenn sie etwas wie einen Amok-Lauf oder einen Terroranschlag erlebt haben.Ich gebe zu, ich bin der Typ „Newsjunky“ und bleibe on air und lese parallel im Web. Das hat bei mir den Hintergrund, dass ich mit einem Überlebenden eines Amok-Laufs zusammen lebe. Bei uns stehen, gut sichtbar neben den Familienbildern, Bücher zu diesem Amok-Lauf. Er gehört bei uns zum Alltag dazu. Nicht täglich, aber irgendwie begleitet er uns ein bisschen. Wir wissen unsere kleine vermeintlich heile Welt zu schätzen. An solchen Tagen noch viel mehr. Auch wenn uns diese Tage vor Augen führen, dass jederzeit etwas passieren kann. Wir kommen nicht hinterher mit den Nachrichten. Zwei kleine u3-Kinder halten uns auf Trapp und wir bauen um, das Meiste selbst, dazu arbeiten wir, der Mann bildet sich dazu weiter und wir haben kaum Zeit für eigene Hobbys im Moment, geschweige denn uns den großen Gesellschaftlichen Herausforderungen in dem Maß zu widmen, wie sie es verdienen würden. Wir gehen wählen, engagieren uns partiell in der Flüchtlingshilfe, im Bereich Demokratiestärkung und für die KiTa unserer Kinder.  Der Mann würde gerne mehr in seinem Verein spielen – aber es fehlt die Zeit an allen Enden. Wir hätten gern Zeit uns mehr mit den täglichen Herausforderungen dieser Welt zu beschäftigen, aber unsere Welt dreht sich gerade um Pipi, Kacka, Wut von Kleinkindern, Frust von zum Laufen bestrebten Babys und deren Versorgung. Dazu der Baudreck und der Wunsch nach ein wenig mehr Ordnung. Privat und in der Welt.

So saßen wir dann letztendlich am Freitag zwischen dem Baudreck, Baby-Phone und dem laufenden TV, beeindruckt von der Sachlichkeit und Trockenheit des Pressesprechers Marcus da Gloria Martins der Polizei München. Auch am Wochenende haben wir versucht die Nachrichten nicht aus den Augen zu verlieren und mit dem bald Dreijährigen besprochen, dass wir bitte in Ruhe im Radio die Nachrichten hören möchten und in diesen fünf Minuten Ankopplung an des reale Leben bitte auch „Bodo mit dem Bagger“ kurz eine Singpause hat. Nichts im Vergleich zu dem was die Familien gerade durchmachen müssen, die am Wochenende Angehörige verloren haben oder selbst die Tat erlebt haben. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass vor ihnen ein langer Weg liegt. Sie werden wohl immer in einen inneren Ausnahmezustand kommen, sofern irgendwo auf der Welt sich ähnliche Fälle wiederholen. Einige werden sich vom Verlust des Kindes, der Mutter, eines geliebten Menschen, ob nun naher Verwandter oder guter Freund oder Freundin, kaum erholen. Einige werden dank einer inneren Resilienz besser damit umgehen können – andere werden daran zerbrechen. Es werden wie eine Art Flash-Backs kommen, mit jedem weiteren Attentat auf dieser Welt, je näher und je eher sie an das selbst Erfahrene erinnern umso heftiger werden sie mitunter ausfallen können – nicht müssen.

Wie wir das alles verhindern können? Gar nicht ist meine Einschätzung. Wie wir uns davor schützen können? Gar nicht, glaube ich. Ob uns das nochmal passiert, als Familie die bereits von so einer Tatsache betroffen war? Kann ich nicht einschätzen, wäre reine Spekulation. Was ich aber kann, ist für meine Familie und für mein Umfeld da sein, mich einbringen, nicht wegsehen, mir Hilfe holen wenn ich merke ich komme nicht weiter, helfen wenn ich merke, da kommt wer nicht weiter und er könnte Hilfe gebrauchen. Reden! Reden, reden, reden! Und zwar miteinander. Ob das am Ende hilft? Ich habe keine Antwort. Aber ich persönlich glaube, dass es noch viel mehr Möglichkeiten gibt aus dem Leben zu scheiden, als durch einen Terror-Akt, einen Amok-Lauf oder überhaupt physische Gewalt durch andere Menschen. Ich hoffe es trifft uns nicht, ich hoffe meine Kinder bleiben verschont. Ich möchte die Erfahrung meiner Schwiegermutter nicht machen. Ich möchte mich nicht sorgen, wenn meine Kinder aus dem Haus sind, ob sie gesund am Abend wieder kommen. Es muss die Hölle sein. Für diejenigen, deren Kinder oder Angehörige nicht heim kommen, bleibt es die Hölle, ein Leben lang.

Ich habe keinen Schluss für diesen Blogpost. Es fehlen einem immer die Worte und man bleibt so sprachlos für einige Zeit zurück. Aber das Leben dreht sich derweil weiter. Ungeachtet von dem Schmerz und dem Kummer den andere zu diesem Zeitpunkt egal wo auf dieser Welt empfinden. Ein Vater einer Freundin sagte einmal „Du kannst nicht mit Jedem mit sterben!“ – wenn auch etwas pessimistisch angehaucht, hat der Satz für mich einige Bedeutung. Ich will vor allem nicht mit Jedem mit sterben. Ich will meine kleine Welt. Ich will meine Familie. Ich will meinen Mann und meine Kinder noch eine sehr lange Zeit genießen. Und dafür werden wir wohl einfach weiter versuchen die besten Eltern zu sein, die wir sein können. In der Hoffnung durch  Achtsamkeit, Zugewandtheit und Liebe unsere kleinen Menschen wachsen zu sehen und noch sehr viel Zeit mit ihnen, und hoffentlich mal Enkeln, zu verbringen. Und natürlich auch in der Hoffnung noch lange Zeit uns zu zweit genießen zu dürfen. Das Einzige was wir nach diesem Wochenende mal wieder in Angriff nehmen wollen ist: Ein Testament zu verfassen und unseren Nachlass zu regeln. Für den Fall der Fälle das einer eher geht. Warum und wie auch immer, das Schicksal kann am Ende keiner beeinflussen, auch wenn man schon ein paar Mal dran war.

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