Review zum Social Media Meetup der Thüringer Landesmedienanstalt
Am 29.01.2018 fand im Club Kalif Storch das erste durch die Thüringer Landesmedienanstalt organisierte Meetup mit Schwerpunkt Social Media und Influencer statt. Die Themen waren vielversprechend und so war es auch verständlich, dass das Meetup mit 180 Teilnehmenden ausgebucht war.
Das Meetup, um den politischen Hintergrund nicht unerwähnt zu lassen, ist entstanden im Rahmen der Thüringer Mediengespräche der Thüringer Landesmedienanstalt. Die Mediengespräche sind Teil der Thüringer Digitalstrategie des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft. Ich habe bereits auf einigen Konferenzen auf dem Weg zur Bereitung der Strategie im Rahmen meiner beruflichen Profession teilgenommen und den Austausch dort als sehr informativ und lehrreich empfunden. Ich freute mich also auf den Abend im Kalif Storch, nicht nur weil ich zum ersten Mal seit der Geburt von Nummer 3 einen Club betreten habe – zwar nicht zum Feiern sondern zum Arbeiten – aber ich nahm als 3-fach-Mama in Elternzeit die Chance auf einen bunten Abend mit Weiterbildungseffekten dankend an.

Nach der Eröffnung durch Direktor Jochen Fasco und der herzlichen Einladung life auf der Twitterwall mitzuzwitschern begann ein recht differenzierter Talk mit dem Titel „Thüringen – Was geht?“. Talkgäste waren Franziska Albrecht (Zukkermaedchen.de), Florian Folger (florianwhitewalker auf Instagram) und Jessika Weisse (kleidermaedchen.de). Moderiert wurde von Konstantin Winkler (Landeswelle Thüringen). Es war ein kurzweiliger Talk indem Franziska ihr Business (und Bloggen mit 81 k Followern auf Instagram ist de facto ein ernst zu nehmendes Business!) erläuterte. Jessika verriet dazu, wie sie auf den Blog kam und wie ihr Business wuchs. Ein Rätsel bleibt für mich Florian: Instagramer mit 34 k – macht Werbung für Alkohol und andere werbliche Posts, hat kein Impressum. Auf meine Frage, wie das denn ginge gab er eine unzufriedenstellende Antwort: „Er sei mal bei einer Agentur gewesen, da hätte er eine „online Card“ gehabt und jetzt arbeite er gerade an einem ‚richtigen‘ Impressum.“ – Der Moderator kommentierte mit „Das haben wir jetzt mal alle überhört“ und damit wurde das Thema ‚weg gelacht‘! Ich frage mich tatsächlich ernsthaft wie das gehen kann, und warum wir uns dann überhaupt treffen, wenn am Ende doch einfach jeder machen kann was er will und wir kollektiv darüber hinweg lächeln. Seriös ist anders. Ich persönlich finde, dass so jemand nicht auf das Podium gehört – höchstens als „worse practice“. Das diskreditiert die Unternehmungen der seriösen Bloggerinnen, die sich mit ihrem Business viel Mühe geben, und auch auf die kritischen Fragen zu Kooperationen und Alkohol-Werbung Rede und Antwort standen auf Augenhöhe.
Florian gab weiterhin zu Bedenken, dass Thüringen nicht der Nabel der Welt sei, es sehr schwierig sei gute Fotografen zu finden in Erfurt und das in den Großstädten wie Bayern (sorry – sein Versprecher war leider maßgeblich) besser ginge. Ja Thüringen ist Provinz und digitales Entwicklungsland – aber Thüringen ist liebens- und lebenswerte Provinz und Fotografen haben wir hier ganz viele großartige. Man muss sie eben entsprechend bezahlen. Blog-Business eben. Weiterhin haben wir eine Vielzahl von Blogs die für die Region Thüringen „ehrenamtlich“ arbeiten – diese Akteure haben mir in der Debatte sehr gefehlt neben den drei Fashion-BloggerInnen.
Es folgte eine großartige aber auch kontroverse Keynote von Carsta Maria Müller über die Aktivitäten der Pro7 Gruppe und die Ausbildung der Germanys next Topmodel Kandidatinnen im Social Media Bereich. Es gibt extra ein Social Media Bootcamp. Dass die jungen Frauen durchgängig als „die Meeeedchen“ benannt wurden offenbarte den kontroversen Teil: Fremdzuschreibung und Stereotype ploppten auf, was schade ist. Für mich sind „die Meeeeedchen“ junge Frauen die am Anfang einer Kariere stehen (oder nicht) und denen mit dieser Zuschreibung irgendwo Kompetenzen abgesprochen und verniedlicht werden. Positiv ist trotzdem, dass die Kandidatinnen geschult und begleitet werden auf dem Weg zur Influencerin, denn das sind sie nach der Staffel. Punkt. Und wenn früher am Ende der Staffel die Gewinnerin ein Auto bekam, dann kann heute jede Kandidatin mit ihrem Social Media Profil auch nach der Staffel Geld verdienen und sich selbst ein Auto kaufen. Das ist für mich auch Fakt und spannend. Natürlich bin ich auch immer zu begeistern wenn ich einen Einblick bekomme, wie „große“ Unternehmen mit über 200 Social Media Kanälen ihren Betrieb am Laufen halten. Carsta Müller hat das sehr gut erläutert und ist ebenfalls auch auf die kritischen Fragen eingegangen.
In einem weiteren Fach-Input stellte Kirsten Kramer von der TLM Wissenswertes zum Thema „Law and Order“ vor – der Kennzeichnungskatalog für Werbung der Landesmedienanstalten wird ja derzeit in vielen Facebook-Gruppen kontrovers diskutiert. Eine Handreichung ist er allemal, wenn auch er natürlich ein Produkt auf dem Weg zu Rechtssicherheit ist – am Ende ist er kein Gesetz und die Gerichte sprechen Recht. Wer sich damit auseinandersetzen möchte, dem sei der Fall Vreni Frost ans Herz gelegt.

Im Meetup on Stage mit allen Teilnehmenden und Valentina Kerst (Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft) wurde nochmal auf stereotype Rollenbilder aus den 50er Jahren in Bezug auf die Selbstdarstellung von Frauen in den sozialen Netzwerken eingegangen. Auch dazu läuft gerade eine größere online Debatte – zum Einlesen in die Rollenbilder sei der Artikel von Edition F empfohlen: „Schönheitsnorm und alte Rollenbilder: So inszenieren sich jungen Menschen auf Instagram und Co.“
Was bleibt nach dem Meetup? Also auf jeden Fall die Hoffnung auf eine neue Veranstaltung zu diesen Themen. Bei mir bleiben weiterhin Fragezeichen im Kopf in Sachen Kennzeichnungspflicht, Verantwortung (für die Zielgruppe, Produkte usw) und Seriösität. Außerdem würde ich mir beim nächsten Mal einen noch tieferen Dialog wünschen und dass Fragen über die Twitterwall gleich mit auf das Podium wandern – das wäre noch mal ein Pluspunkt in Sachen Interaktivität. Ich bin trotzdem sehr dankbar, dass BloggerInnen und InfluencerInnen auch im Rahmen der Digitalstrategie wahrgenommen werden und nicht nur die „klassischen Medien“ wie Bürgerradios, öffentlicher Rundfunk und Co. Bisher gab es für diese „Onliner“ in Thüringen keine richtige Anlaufstelle und ich wünsche mir von der TLM einfach mehr Angebote auch für uns. Ich empfinde es als ein gutes Zeichen, dass mit dem Format InfluencerInnen und BloggerInnen als Teil einer digitalen Kultur in Thüringen wahrgenommen und wertgeschätzt werden.

Ein letzter Hinweis in eigener Sache: Es kam die Frage auf wie und ob BloggerInnen in Thüringen eigentlich vernetzt sind. Wir haben in Erfurt das Netzwerk #erfurtbloggt. Man findet uns auf Facebook und wir treffen uns alle 2-3 Monate ganz klassisch im Real-Life offline und tauschen uns aus, bilden uns weiter und besprechen neue Aktivitäten. Jessika Fichtel (Goldrauschen.blog und Feelslikeerfurt) & Julia Patzenhauer (Julitravels.blog) gaben vor gut drei Jahren den Anstoß und ich unterstütze sie seit zwei Jahren. Letzes Jahr gab es den ersten Instawalk #kakteenwalk bei Kakteen Haage (Ulli hat den Cactusblog). Dieses Jahr planen wir einen weiteren Walk und sitzen gerade an einer Ausstellung von Social Media Produkten mit der Stadtverwaltung Erfurt um unsere online Blogs auch offline zu präsentieren. ‚Join us on Facebook‘ sagt man so schön – wir lesen uns dort weiter.
Wenn du noch Anregungen hast: Lass sie gern hier in den Kommentaren.
Birgit aka Provinzmutti
4 Kommentare
Hallo Birgit, vielen Dank für die treffende Zusammenfassung des gestrigen Abends im Kalif! Ich fand die Veranstaltung grundsätzlich auch sehr erhellend und sage dazu „gerne wieder“! Allerdings fand auch ich die Auswahl der Influencer etwas einseitig. (Ich persönlich kannte keinen der drei – bin vermutlich einfach nicht die Zielgruppe.) Ich fand es schade, dass immer von Authentizität und Verantwortung gesprochen wurde, ich sie aber nicht gespürt habe. Wirklich doof (sorry) fand ich die Bemerkung von Franziska Albrecht, dass sie Produkte bewirbt, von denen sie sicher ist, dass sie der Community gefallen. Kein Wunder, dass viele dem Influencer Marketing skeptisch gegenüber stehen, wenn es eben nicht mehr die authentische Meinung und Einstellung des Influencers widerspiegelt. Das beste an diesem Abend war für mich etwas ganz anderes, nämlich das Publikum. Es war zuallererst natürlich sehr schön, dass das Thema Social Media in Thüringen so viele Leute angezogen hat. Aber noch schöner war, dass viele kritische Fragen gestellt wurden und generell eine aufmerksame und interessierte Stimmung herrschte.
Liebe Birgit, vielen Dank für deinen ausführlichen Artikel! Ich könnte gestern leider nicht dabei sein und hab mich daher sehr über deinen Einblick gefreut.
Viele liebe Grüße
Mira
Liebe Birgit, vielen Dank für deinen ausführlichen Artikel! Ich konnte gestern leider nicht selber dabei sein und habe mich daher sehr über deinen Einblick gefreut.
Viele Grüße
Mira
Danke für das positive und auch kritische Feedback. Die Thüringer Mediengespräche der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) sind kein Teil der Digitalstrategie sondern seit Jahren eine eigene Veranstaltungsreihe der TLM
Landesmedienanstalten sind ja staatfern organisiert -sorry, hätte ich am Anfang vielleicht nochmals kurz darstellen können im Grußwort- und sorgen dafür, dass die Medien (wir kümmern uns vornehmlich um Privat-Rundfunk Bürgermedien, techn. -digitale-Entwicklungen, Jugendmedienschutz und viele Themen im Netz sowie sind natürlich mit Veranstaltungen und Fachtagungen etc. Netzwerkpartner im Medienstandort Thüringen).
Wir haben bei der Digitalstrategie des Landes mitgewirkt und unterstützen dies nach Kräften.
Die Anregungen hier und im Netz nehmen wir auf für die weiteren Aktivitäten und vor allem mit Blick auf die Planungen für #creatorshotspot20.
Jochen Fasco, TLM-Direktor
PS Hier die Pressemeldung der TLM
https://www.tlm.de/infothek/pressemitteilungen/pm-einzelansicht/article/influencer-beim-creatorshotspot19-der-tlm/